Liebe Campteilnehmer_innen,
Wie ihr sicher wahrgenommen habt, haben wir uns heute einen Austag genommen. Aus diesem Grund wurde in der Küche ein Notprogramm eingerichtet. Dieser Austag ist nötig gewesen, da wir mit der momentanen Situation nicht mehr umgehen konnten. Worum geht es eigentlich?
Am Dienstag, den 19.8.2008, wurden abends von der Küche im Küchenbereich des Antira- und Klimacamps relativ spontan einige Filme gezeigt. An diesem unvorbereiteten Filmabend wurde u.a. eine Persiflage auf einen Zombiefilm vorgeführt. In dem Film wurde zuerst ein Mann aufgefressen und danach eine (schreiende) Frau von drei Männern verfolgt und dann ebenfalls aufgefressen. Dieser Film hat Grenzen einiger Teilnehmer_innen verletzt. Zwei Frauen gingen zum Infozelt um von dort Unterstützung für den Abbruch des Films zu holen. Das Infozelt konnte diese Hilfe nicht leisten. Daraufhin gingen die Frauen direkt zur Vorführung, um den Film zu beenden. Aus Sicht der Küchengruppe war diese Intervention richtig und gut. Es war ein Fehler, den Film in diesem Rahmen und ohne Einleitung und/oder Diskussionsmöglichkeiten zu zeigen. Wir bitten hierfür nochmals um Entschuldigung. Die Küchengruppe akzeptiert und respektiert auch die Art der Intervention, auch wenn sich einige eine andere Form von Intervention gewünscht hätten.
Im Zuge der Intervention, die lautstark und sehr emotional vonstatten ging, hat es zuerst eine kurze verbale Auseinandersetzung gegeben. Bevor eine Beruhigung der Situation, Verständnis füreinander und eine gemeinsame Klärung der Situation möglich wurde, ist sie eskaliert und einer der Filmvorführer hat Wein ins Gesicht und die Augen bekommen. Da die ganze Sache sehr schnell vonstatten ging, hatte er die Situation nicht wirklich erfasst. In einer affektiven Angstreaktion versuchte er,l ohne etwas zu sehen, sich mit einer ausladenden Armbewegung Raum zu verschaffen, um sich zu schützen. Dabei wurde eine der Frauen getroffen. Die Filmvorführung wurde nun sofort von dem Filmvorführer beendet. Es fand kein weiterer Kontakt zwischen dem Filmvorführer und den betroffenen Frauen statt, da der Filmvorführer sich zurückzog, weil er das Gefühl hatte, damit die Situation zu deeskalieren.
Aus der frisch gebildeten Menschenmenge, die in verschiedenen Gruppen diskutierte, wurden unter anderem Rechtfertigungsforderungen sowie sexistische Attacken gegenüber den beiden Frauen geäußert. Diese Aussprüche empfinden wir als Küche sehr schrecklich.
Dies ist die Situation, wie sie sich uns als Küchengruppe darstellt. Uns wurde mitgeteilt, dass die im Zuge der Armbewegung getroffene Frau dies als Faustschlag ins Gesicht wahrgenommen hat. Wir respektieren, dass die Wahrnehmung der beiden Frauen sowie deren Unterstützer_innen eine andere ist. Daran gibt es aus unserer Sicht nichts zu deuten oder in Frage zu stellen. Es sind zwei berechtigte Wahrnehmungen, die sich gegenüber stehen. Trotzdem ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um einen gezielten, intentionalen Angriff gehandelt hat. Es war eine affektive Reaktion auf eine tumultartige Situation.
Unmittelbar nach dem Ereignis fanden innerhalb der Küchengruppe Diskussionen statt. Wir entschieden uns dazu, offensiv mit der Situation umzugehen und die Kommunikation zu suchen. Daher wurde das Ereignis von uns auf das Deli-Plenum getragen. Es bildete sich eine Mittler_innengruppe um diese Problemkonstellation aufzulösen. Wir – die Küchengruppe – versuchten mit der Unterstützer_innengruppe der beiden Frauen in Kontakt zu treten, um einen Umgang mit der Situation zu finden. Jedoch war es bisher nicht möglich, klärende Gespräche zu führen, da dies von den Frauen und der Unterstützer_innengruppe nicht gewünscht wird. Es wurde aber die Forderung der betroffenen Frau an uns herangetragen, dass der Filmvorführer das Camp verlassen soll. Dies wird nicht mit einem Sexismusvorwurf begründet, sondern mit dem Vorwurf, eine der Frauen geschlagen zu haben. Aus unserer Sicht ist das ein wichtiger Punkt, auch weil die Unterstützer_innengruppe geäußert hat, dass sie keine Stigmatisierung des Menschen als Sexist möchte. Dennoch möchte die Betroffene nicht gleichzeitig mit ihm auf dem Camp sein. Weitere Versuche mit Mediation sind ebenfalls gescheitert.
Wir haben uns intensiv mit dieser Forderung auseinander gesetzt. Wir wollen, dass ein Schutzraum für die Betroffene gewährleistet ist und respektieren diesen Wunsch ausdrücklich. Gleichzeitig suchen wir eine Lösung durch Kommunikation und nicht durch Ausgrenzung oder Rausschmiss. Wir wollen uns mit sexistischem und gewalttätigem Verhalten in unserem Campalltag auseinandersetzen und befürchten, dass mit einem Rausschmiss dieses Thema abgehakt wird. Wir haben Sorge, dass mit einem Ausschluss die notwendige Auseinandersetzung mit Gewalt und Sexismus in unserem Alltag nicht vorangetrieben wird. Ein Verlassen des Camps würde eine Stigmatisierung der Person und der Küche mit sich bringen und hätte wahrscheinlich auch den Ausschluss der betreffenden Person aus weiteren Zusammenhängen zur Folge. Da mittlerweile viele z.T. wilde Gerüchte über das Ereignis auf dem Camp kursieren, würde ein Verlassen des Camps unserer Ansicht nach als Bestätigung von Gerüchten wahrgenommen. Das sind Konsequenzen, die unserer Meinung nach dem Ereignis nicht angemessen sind.
Aus diesen Gründe haben wir uns entschieden, nicht auf die Forderung einzugehen, dass der Filmvorführer alleine das Camp verlässt. Wir möchten einen Weg finden, der sowohl den nötigen Schutzraum für die Betroffenen gewährleistet als auch uns als Vokü weiterhin ermöglicht, das Camp zu versorgen und auch darüber hinaus in politischen Zusammenhängen unserer Arbeit gemeinsam zu machen. Wir als Vokü begreifen uns als einen Teil des Camps und möchten, dass die Küche als sozialer Raum und für eine Auseinandersetzung bestehen bleibt. Wir wollen aber als Vokü auch keine strukturelle Gewalt ausüben und unsere Position ausnutzen.
Darum möchten wir folgende Vorschläge an die Betroffenen machen:
1. Die Voku wird als räumlich begrenzter Bereich vom Rest des Camps abgetrennt. Der Filmvorführer wird sich nur in diesem Bereich aufhalten.
2. Wenn dieser Vorschlag nicht angenommen werden kann, wäre eine andere Möglichkeit für uns, die Vokü auf den Parkplatz zu verlegen. Auch da gilt, dass der Filmvorführer den Vokübereich nicht verlassen wird.
3. Wenn keine der beiden Vorschläge für die Betroffenen akzeptabel ist, bitten wir das Camp und die Unterstützer_innengruppe um kontruktive Lösungsvorschläge, um die Versorgung des Camps zu gewährleisten.
Wir möchten noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir das Schutzraumbedürfnis der Betroffenen akzeptieren und respektieren.
Wir sind als Vokü nicht auf dem Camp, weil Drohungen laut wurden, dass einer von uns vom Camp entfernt wird. Wir glauben nicht, dass mit Gewaltandrohungen Probleme dieser Art gelöst werden können.
In der Hoffnung auf eine gemeinsamen und beiderseitig akzeptablen Lösung der Situation,
Eure Vokügruppe