Brief der Unterstützer_innen auf dem Camp 2008

Liebe Camper_innen,

wir beziehen uns hiermit auf die Stellungnahme der Vokü vom 23.08.08 zu dem Vorfall vom Dienstag, 19.08., im Rahmen der Filmvorführung.

Wir sind aus dem Umfeld der betroffenen Frau und wollen unsere Sicht der Ereignisse veröffentlichen.

Zuerst möchten wir sagen, dass wir es ausdrücklich begrüßen, dass sich die Vokü schriftlich zu dem Vorfall geäußert hat. Wir finden es gut, dass sie sich für die Filmvorführung entschuldigt haben und das Eingreifen grundsätzlich akzeptieren.

Trotzdem wollen wir die Situation auch aus unserer Sicht darstellen, da wir einen anderen Umgang miteinander in unseren Strukturen erwarten.

Der gezeigte Film überschreitet unserer Meinung nach nicht nur Grenzen von von Gewalt betroffenen Frauen, sondern auch von Personen die Folter erlebt haben und/oder von Gewalt traumatisiert sind.
Wir fragen uns natürlich, warum solche Filme in linken Strukturen überhaupt gedreht werden und welche Intention dahinter steht, aber in einer öffentlichen Situation, wie auf dem Camp, kann solch ein Film auch nach Einleitung nicht gezeigt werden.

Im Zuge der Intervention an diesem Abend durch die beiden Frauen kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, die im nachhinein nicht mehr genau zu rekonstruieren ist. Fakt ist, es gibt zwei unterschiedliche Beschreibungen des Beginns:
Bestritten wird nicht, dass eine der beiden Frauen ihm Wein ins Gesicht geschüttet hat, allerdings erst nach der Aufforderung den Film abzustellen, was er nicht wollte. Die beschriebene spontane „Abwehrreaktion“, die die andere traf, wurde von ihr als gezielter Schlag wahrgenommen. Zumal er anschließend äußerte, sie müsse sich über diese Reaktion nicht wundern.
Aufgrund dessen fordert sie, dass der Filmvorführer das Camp verlassen muss.
Es ist uns wichtig nochmal zu betonen, dass es uns nie darum ging, ihn aus linken Strukturen zu verbannen, noch darum ihn als Sexist zu stigmatisieren, sondern um den Raum für die Frau, die geschlagen wurde, zu erhalten.
Wer schlägt, geht. Egal ob intentionaler Angriff oder affektive Reaktion.
Dies wurde von ihm bereits auf dem Deli-plenum am Mittwoch, 20.08 zugesagt. Wir fragen uns, warum dies bis jetzt nicht geschehen ist?

Gelinde gesagt, empfinden wir es als Frechheit zu behaupten, es habe keine Gespräche gegeben. Entgegen der Darstellung von der Vokü, gab es mehrere Gespräche zwischen uns (der Unterstützer_innen- gruppe) und Personen aus der Vokü, da uns sehr wohl an einer konstruktiven Auseinandersetzung und einer Lösung gelegen ist. die betroffene selbst wollte sich nicht mit dem Mann oder der Vokü auseinandersetzen.

Zu der Stellungnahme haben wir allerdings noch einige Fragen:
Wieso bekunden sie, dass ein Schutzraum für die Betroffene gewährleistet sein soll, kommen dem aber nicht nach?
Wieso kann eine Auseinandersetzung mit Gewalt und Sexismus im Alltag nicht voran getrieben werden, wenn eine Person das Camp verlässt?
Wieso verlässt die gesamte Vokü das Camp, nur weil Einer aufgefordert ist zu gehen?
Und wieso denken sie, dass nur wenn die Person bleibt, die Gerüchte weniger werden?

Erschreckt an dem Vorfall, hat uns nicht nur die gewalttätige Auseinandersetzungsebene, sondern auch die Reaktionen aus dem Publikum. Homophobe Beschimpfungen wie „dämliche Lesben verpisst euch“ dulden wir nicht in unseren Strukturen. Wir sind entsetzt über die dahinter stehende Grundeinstellung und das nicht eingreifen der Umstehenden. Dazu fordern wir eine grundsätzliche Auseinandersetzung!
Uns ist klar, das diese nicht mehr auf dem Camp stattfinden kann, für eine zukünftige Zusammenarbeit von linken Gruppen ist sie unerlässlich.
Was uns seit Jahren nervt ist, dass sich die Betroffene immer rechtfertigen soll und muss und das Relativieren der Tat. Dadurch wird sie immer wieder mit der Situation konfrontiert.

Wir hoffen, dass endlich mal ein Mann die Konsequenz aus seinem Tun trägt und nicht er oder sein Umfeld sich als Opfer hinstellt!