Ein Beispiel für einen Umgang mit Sexismus, Homophobie und Gewalt – Die Auseinandersetzung mit Le Sabot

Hallo,
wir schreiben diesen Text einerseits, um für uns die Auseinandersetzung mit Le Sabot vorläufig abzuschließen und andererseits um sie als Beispiel für eine Auseinandersetzung öffentlich zu machen, aus der andere vielleicht etwas ziehen können. Deshalb haben wir so ein ausführliches Papier geschrieben.
Wir sind eine Kleingruppe der III. Antisexistischen Praxen Konferenz. Die Antisexistische Praxen Konferenz ist eine selbstorganisierte Konferenz, die Workshops zu verschiedenen antisexistischen Themen anbietet und Raum für Austausch und Vernetzung schafft (www.antisexist-perspectives.so36.net). Le Sabot ist eine Vokü-Gruppe (Volksküche; http://www.nadir.org/nadir/initiativ/le_sabot/hh/filmkonflikt.htm), die auf der Antisexistischen Praxen Konferenz gekocht hat. Die Zusammenarbeit war sehr gut und es gab super leckeres Essen. Im Rahmen der Vorbereitung zur III. Konferenz stießen wir darauf, dass wir Le Sabot nicht so ohne weiteres wieder anfragen können, da wir von den Vorfällen auf dem Antirassismus- und Klimacamp in Hamburg im Sommer 2008 mitbekommen hatten. Da die Zeit für die Vorbereitung der Konferenz knapp war und wir eine Auseinandersetzung vor der Konferenz nicht mehr hinbekommen hätten, fragten wir Le Sabot als Vokü-Gruppe nicht an. Wir nahmen stattdessen mit Ihnen Kontakt auf und sagten, dass wir uns sehr gerne nach der Konferenz mit Ihnen auseinandersetzen wollen würden, um sie dann ggf. nächstes Jahr wieder anzufragen. Einzelne Personen von Le Sabot wären jedoch auf der Konferenz willkommen.

Vorab: Das was auf dem Antirassismus- und Klimacamp in Hamburg vorgefallen ist, wollen wir hier nicht noch einmal beschreiben, sondern verweisen auf verschiedene Texte, aus denen das Vorgefallene z.T. hervorgeht. Diese sind auf den oben genannten Internetseiten zu finden. Wir wollen noch drauf hinweisen, dass durch die Texte kein umfassendes Bild entstehen kann u.a. weil sich die Betroffenenseite (Betroffene und ihre Unterstützerinnen) nicht sehr ausführlich dazu geäußert hat. Wir finden das auch nicht nötig, sondern haben die Haltung, dass Betroffene überhaupt nicht „verpflichtet“ sind, sich zu äußern. Wenn sie lieber schweigen wollen, ist das ihr gutes Recht, wenn sie sich lieber nur in privaten und vertrauten Kreisen dazu äußern, ist das ihr gutes Recht. Keine Betroffene sollte in irgendeiner Weise unter Druck gesetzt werden, sich zu äußern.

Warum war uns eine Auseinandersetzung wichtig: Zum einen weil uns Definitionsmacht wichtig ist und wir für die Konferenz auch ein Awareness-Konzept haben, dass sich u.a. auf Definitionsmacht stützt. Zum anderen, weil wir wollen, dass sich alle Teilnehmer_innen der Konferenz möglichst wohlfühlen und möglichst wenig mit Sexismus, Homophobie, Transphobie und Nichtanerkennung von Definitionsmacht konfrontiert werden. Das hat u.a. den Grund, dass das „normale“ Leben und der „normale“ öffentliche Raum bereits so stark von Sexismus, Homophobie und Transphobie geprägt ist, dass wir auf der Konferenz ein Stück weit auch einen Schutzraum schaffen wollen. Zum anderen, dass auf der Konferenz u.a. sehr sensible Themen behandelt werden, wie z.B. sexualisierte Gewalt.
Die Auseinandersetzung mit Le Sabot erschien uns lohnend, da die Gruppe grundsätzlich eine antisexistische Haltung vertreten hatte und in vielen politischen Räumen eine starke Außenwirkung hat. Uns waren sie als politische Gruppe wichtig.

Allerdings wirkte die Gruppe Le Sabot auf dem Antirassismus- und Klimacamp in Hamburg aus unserer Sicht daran mit, eine Situation zu schaffen, in der nicht auf die Wünsche der von Gewalt betroffenen Person eingegangen wurde, d.h. dass sowohl die Wünsche der Betroffenen nicht erfüllt wurden, als auch eine Atmosphäre des Drucks auf die Betroffene hergestellt wurde. Die gewaltausübende Person war Teil der Vokü-Gruppe und weigerte sich, den Schutzraum zu verlassen. Diese Weigerung wurde von den anwesenden Teilen der Vokü-Gruppe nicht nur öffentlich mitgetragen, sondern auch argumentativ mit einem Aushang veröffentlicht, gerechtfertigt und unterstützt.
Die gesamte Situation führte schließlich dazu, dass die Betroffene das Camp verließ.
Das ist für uns ein Mitwirken und Herbeiführen von „sexistischem Normalzustand“. Also einem Zustand, der in der Gesellschaft verbreitet und vorherrschend ist. Ein Zustand, der es immer wieder herstellt, dass Betroffene sich eher zurückziehen, eher den Mund halten, sich nicht wehren und Personen, die sexistisch, homophob, transphob handeln, die körperliche oder sexualisierte Gewalt ausüben bleiben, statt den Raum freizugeben.
Da uns sehr bewusst ist, dass wir alle sexistisch geprägt sind, und in Krisensituationen leider nicht immer angemessen reagieren, hatten wir die Hoffnung, dass eine kritisch-solidarische Auseinandersetzung mit der Gruppe mit einigem zeitlichen Abstand dazu führen würde, das eigene Handeln und Verhalten zu überprüfen, um in einer erneuten Situation stärker antisexistisch handeln zu können. Das beinhaltet für uns auch Definitionsmacht und einen erweiterten Gewaltbegriff anzuerkennen, also Definitionsmacht nicht nur auf sexualisierte Gewalt zu beziehen. Unser Ziel war explizit nicht die Auseinandersetzung mit der gewaltausübenden Person und seinem gewalttätigen Handeln. Dafür hätte es unserer Meinung nach eine andere Gruppe und andere Energie gebraucht. Wir wollten uns mit dem Handeln der Vokü-Gruppe als Politgruppe/Freundeskreis der gewaltausübenden Person auseinandersetzen, um ggf. später wieder mit Ihnen zusammenarbeiten zu können.

Unsere Kleingruppe ist mit der Betroffenen in Kontakt und die Betroffene begrüßt es, dass wir uns als Gruppe mit Le Sabot auseinandersetzen, bzw. auseinandergesetzt haben. Ebenso haben wir dieses Papier der Betroffenen gegeben und ihre Zustimmung eingeholt, bevor wir es veröffentlicht haben.
Zu unserem Auseinadersetzungsprozess mit Le Sabot:

Wir hatten ein längeres Treffen mit fünf Personen von Le Sabot und in den Monaten danach haben wir versucht die fünf Personen einzeln zu treffen, was bei drei Personen geklappt hat und bei zwei Personen nicht, was an unterschiedlichen Gründen lag (s.u.). Darüber hinaus hatten wir mehrere Einzeltreffen mit Personen, die nach dem Vorgefallenen und der geringen Auseinandersetzung damit aus der Gruppe Le Sabot ausgestiegen sind. Andere Personen entschieden sich dafür, bei Le Sabot zu bleiben und innerhalb der Gruppe eine kritische Position einzunehmen. Somit gibt es innerhalb von Le Sabot Einzelpositionen, die die Gruppenposition intern kritisieren.
Wir hätten uns einen längeren Auseinandersetzungsprozess mit Le Sabot gewünscht und waren eher enttäuscht, dass die Treffen z.T. nur unter viel Aufwand und mehrfachem Nachfragen zustande kamen. Bei uns entstand der Eindruck, dass Le Sabot eher zögerlich-abwehrend auf Anfragen nach Treffen reagiert als aktiv oder gar initiativ. Darüber hinaus verzichtete Le Sabot nach dem ersten Treffen auf weitere Gespräche mit uns. Sie wollten lieber nicht mehr mit der Antisexistischen Praxen Konferenz zusammenarbeiten, als sich weiter mit ihrem eigenen Handeln entgegen Definitionsmachtprinzipien auseinander zu setzen.

Der Verlauf des Treffens mit Le Sabot:

1) Unsere Positionen:
Als Kleingruppe der Antisexistischen Praxen III Vorbereitungsgruppe, legten wir erst einmal dar, dass Zweifel entstanden waren bezüglich der antisexistischen Haltung von Le Sabot und wir diese Zweifel gerne besprechen und ggf. aus dem Weg räumen wollten. Weiter legten wir dar, dass wir die Ereignisse auf dem Antira/Klima Camp in Hamburg nicht durchgehen wollten und uns somit nicht in einer Klärung von Wahrnehmungen und von Details der Geschehnisse verlieren wollten. Soweit dies möglich ist. Vielmehr wünschten wir uns eine allgemeinere Auseinandersetzung über politische Haltungen und Konzepte, wie z.B. Schutzraum, Definitionsmacht und Parteilichkeit.
Wir legten weiter dar, dass wir aufgrund der Positionierungen von Le Sabot zu den Vorfällen Zweifel hatten und Problematisches sahen. So hatten wir den Eindruck, dass die Personen von Le Sabot durch die von ihnen gewählte Vorgehensweise auf dem Camp dem Schutzraumbedürfnis der betroffenen Person nicht entsprochen haben. Die Gründe für die Entscheidung von Le Sabot, die sie in ihrer ersten Stellungnahme angebracht haben, sehen wir als problematisch an. Hier ging es für uns vor allem um die Begründungen:
1) Das Ausbleiben einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Gewalt und Sexismus. (Le Sabot argumentierte, wenn die Person, die geschlagen hat, dass Camp verlassen würde, gäbe es keine weitere inhaltliche Auseinandersetzung auf dem Camp. Das sehen wir ganz anders: Wenn die betroffene Person sich wünscht, dass die gewaltausübende Person das Camp verlässt und diese das dann tut, dann kann das die Situation erst einmal erheblich entspannen. Weiter, wenn inhaltliche Auseinandersetzungen um Gewalt, Sexismus und Homophobie geführt werden, dann ist es erheblich von Vorteil, wenn nicht gleichzeitig noch ganz akut, um einen Schutzraum gerungen werden muss. In einer Situation, in dem es keinen Schutzraum gibt, ist eine ruhigere Auseinandersetzung kaum möglich. Das akute, dringliche Bedürfnis einen Schutzraum herzustellen, wird andere Auseinandersetzungen meist überlagern.)
2) Die Stigmatisierung der gewaltausübenden Person und der Küche. (Wir dazu: Eine Stigmatisierung ist in Auseinandersetzungen um Gewalt leider oft gegeben. Es ist sehr wünschenswert und erstrebenswert Stigmatisierungen im Allgemeinen zu mindern. Unser erster Gedanke gilt den Betroffenen und dass eine Stigmatisierung von ihnen vermieden wird. Deswegen finden wir Anonymisierung auch so wichtig, wenn die betroffene Person das wünscht. Bezüglich der gewaltausübenden Person finden wir es wichtig zwischen dem Handeln und der Tat und der Person als Mensch zu unterscheiden. Also z.B. eine Tat als Gewalt zu benennen und deutlich zu machen, die ganze Person aber nicht als Gewalttäter_in abzustempeln. Eine Stigmatisierung ist leider oft gegeben, einfach weil viele Menschen sich mit dem Themenfeld noch nicht intensiv befasst haben. Eine Stigmatisierung der gewaltausübenden Person und der Küche kann es leider geben, egal ob die gewaltausübende Person das Camp verlässt oder nicht. Wie diese unterschiedlichen Umgangsweisen die Stigmatisierung beeinflussen, ist gar nicht absehbar/ berechenbar. Auf jeden Fall ist dass unserer Ansicht nach kein Argument, der Betroffenen den Schutzraum nicht zu gewähren.)
3) Der Abbruch der Versorgung des Camps im Fall der Einrichtung eines Schutzraumes. (Denn Le Sabot hatte als Gruppe beschlossen, dass sie als ganze Gruppe gehen würden, wenn die gewaltausübende Person das Camp verlässt. Damit hätte das Camp keine Vokü-Gruppe mehr gehabt. Wir denken, dass ist kein gutes Argument, denn die Versorgung des Camps hätte von einer selbstorganisierten Struktur übernommen werden können, auch wenn es kraftaufwendig und vielleicht chaotisch geworden wäre. Doch Infrastrukturaufgaben oder Wichtigkeiten von Personen sollten nie als Argument herhalten, dass eine Person oder Gruppe jetzt nicht gehen kann.)
Unserem Erachten nach förderte Le Sabot mit diesen Begründungen eher eine Abwehr von Schutzraumbedürfnissen anstatt eine solidarische und parteiliche Übernahme von Verantwortlichkeit, die es nach grenzverletzenden Situationen und Handlungen gegenüber betroffenen Personen bedarf.

Wir legten noch mal dar: Konkret war es uns aufgrund dessen nicht vorstellbar, die Gruppe auf die Konferenz asp III einzuladen. Nach ihrer ersten Stellungnahme (die damals direkt auf dem Camp entstanden ist) sind uns kaum weitergehende Klärungsprozesse innerhalb der Gruppe oder weitere Positionierungen ihrerseits bekannt geworden. Die Gruppe entschied sich zu dem Zeitpunkt sehr bewusst dafür, keinen weiteren Text zu schreiben und nur auf Einladungen zu Gesprächen zu reagieren. Uns war somit unklar, ob sie als Gruppe wieder genauso oder ähnlich auf das Szenario einer erneuten Schutzraumforderung gegenüber einer Einzelperson ihrer Gruppe reagieren würden – sei es nun aufgrund einer erneuten grenzverletzenden Handlung oder in Bezug auf die Ereignisse in Hamburg. D.h. uns wäre es wichtig gewesen, dass bei einer Schutzraumforderung dieser erst einmal ohne Gegenwehr und Diskussionen nachgegangen wird und mensch alles weitere an einem anderen Ort oder später besprechen kann. In der Vorbereitung der Konferenz haben wir einen großen Teil unserer Bemühungen darauf verwendet, einen möglichst sicheren Rahmen für alle teilnehmenden Personen zu schaffen. Daher erschien uns die Unklarheit bezüglich dieser Szenarien für nicht tragbar, was wir auch bedauerten. Denn bei der vorletzten Konferenz haben wir die Anwesenheit von Le Sabot und ihren Kochkünsten sehr geschätzt.

Darüber hinaus fragten wir Le Sabot, was bei ihnen in der Zwischenzeit an Prozessen passiert ist, über welche konkreten Punkte sie geredet und nachgedacht haben und wie ihre heutige Sicht auf die Ereignisse in Hamburg und ihren Umgang damit ist.

2) Der Verlauf des (Gruppen-)Gesprächs:

Nach dieser inhaltlichen Einführung machten wir mehrere Runden und dann auch ein offenes Gespräch. Insgesamt erlebten wir die Redeatmosphäre als sehr respektvoll und offen. Bis auf ein einmaliges aufbrausendes Sprechen der Person, die geschlagen hatte. Le Sabot legte sehr offen die Diskussionen und Prozesse in ihrer Gruppe dar:
– dass sie bezüglich der Vorfälle sehr unterschiedlicher Meinung seien,
– dass einige Personen die Gruppe verlassen hätten,
– dass sie sehr viel darüber reden, am meisten in Einzelgesprächen,
– dass sie oft auf das Vorgefallene angesprochen werden und einige das Gefühl haben, seit einem Jahr nichts anderes mehr zu tun,
– dass sie versucht haben, ein zweites Papier zu schreiben, sich aber schlecht einigen konnten und nun eher ein etwas nichtssagendes Papier dabei herausgekommen ist.
– Die gewaltausübende Person legte dar, dass sie sich bei der Betroffenen schriftlich entschuldigt hat.

Eines unserer Hauptanliegen war, wie bereits im Input erwähnt eine allgemeinere Auseinandersetzung über politische Haltungen und Konzepte, wie z.B. Schutzraum, Definitionsmacht und Parteilichkeit. Über einige Punkte konnten wir uns sehr schnell verständigen, über andere gar nicht. Bei den Punkten über die wir uns gar nicht einigen konnten, gab es innerhalb der Gruppe von Le Sabot auch Dissens:
1) Sofort verständigen konnten wir uns darüber, dass der Film, der damals im Vokü-Bereich gezeigt worden war, so nicht hätte gezeigt werden sollen. Dies hatten Le Sabot bereits in ihrer ersten Camp-Veröffentlichung betont. Der Film enthält sexistische Elemente und kann durch die Schreie und das Szenario retraumatisierend wirken oder alte Erfahrungen anticken. Der Film hätte anders angekündigt und sensibler gerahmt werden müssen, so dass die Zuschauenden wissen auf was sie sich einlassen und er hätte nicht an einem offen Ort gezeigt werden sollen, wo sich andere den Schreien und der Atmosphäre nicht entziehen konnten.
2) Weiter konnten wir uns darüber verständigen, dass die homophoben und sexistischen Äußerungen aus dem Publikum der Filmvorführung völlig daneben sind und es dringend einer weiteren Auseinandersetzung im Allgemeinen mit Sexismus und Homophobie bedarf, damit bei solchen Vorkommnissen viele Menschen intervenieren und einer derartigen sexistischen und homophoben Stimmung keinen Raum bieten.
3) Nicht einigen konnten wir uns über Definitionsmacht, Parteilichkeit und Schutzraum. Hier haben wir die Positionen von den einzelnen Personen von Le Sabot als sehr unterschiedlich wahrgenommen. Einige betonten, dass ihnen Definitionsmacht schon sehr wichtig sei und sie sich auch in ihrer politischen Geschichte mehrfach für Definitionsmacht eingesetzt haben. Andere formulierten Begründungen, warum Definitionsmacht und die Herstellung des Schutzraums für die Betroffene für sie in dem konkreten Fall nicht das Richtige war. Hier spielten die oben erwähnten Begründungen aus dem Papier von Le Sabot eine Rolle, aber auch die Begründung, dass es sich bei dem Vorgefallenen nicht um sexualisierte Gewalt gehandelt hat. Es gab die Argumentation, Definitionsmacht nur bei sexualisierter Gewalt zu akzeptieren, da sonst ein Verwässern der Definitionsmacht befürchtet würde. Hier haben wir von der Kleingruppe der asp III eine eindeutig andere Haltung. Wir arbeiten mit einem erweiterten Gewaltbegriff, wir wollen nicht von außen definieren und kategorisieren wo Gewalt anfängt und was keine Gewalt ist. Wir denken nur die betroffenen Personen können definieren, was ihnen widerfahren ist, nur sie können die Gewalt benennen. Wenn Gewalt benannt wird, in diesem Fall ein Schlag ins Gesicht, dann beurteilen wir nicht von außen, dass ist uns „zu wenig Gewalt“ um Definitionsmacht anzuwenden oder das ist uns „zu wenig Gewalt“, um ein berechtigtes Interesse nach Schutzraum für die Betroffene gelten zu lassen.
In dem Gruppengespräch wurde auch nicht deutlich, dass die Gruppe Le Sabot Kritik hat an den Handlungen der Person, die geschlagen hat, und diese der Person gegenüber äußert. Wir hatten den Eindruck, dass sein Verhalten immer noch sehr geschützt wird und verständnisvoll entschuldigt wird. Wir hatten auch den Eindruck, dass es hier innerhalb der Gruppe Ängste gibt, Sachen offen anzusprechen und Kritik zu üben.
Das (Gruppen-)Gespräch wurde mit einer Runde in einer respektvollen, ernsthaften Atmosphäre beendet. Mehrere Personen äußerten, dass sie noch mal verschiedene Standpunkte mitgenommen haben und an Sachen weiterdenken wollen. Wir ließen offen, wie eine erneute Verabredung/Treffen aussehen könnten und wollten nach dem Gespräch überlegen, wie es weiter geht.

3) Nach dem (Gruppen-)Gespräch/ Einzelgespräche:

Die Kleingruppe asp III überlegte sich in ihrer Auswertung des Gesprächs mit Le Sabot vor einem nächsten Treffen mit der Gruppe Le Sabot Einzelgespräche vorzuschlagen. Der Vorschlag kam daher, dass die fünf Personen von Le Sabot mit denen wir uns getroffen hatten, selbst sehr unterschiedliche Positionen zu Definitionsmacht, Parteilichkeit und Schutzraum hatten, so dass es in einem zweiten Gruppengespräch nicht so einfach wäre auf diese ganz verschiedenen Positionen näher einzugehen. Deswegen entschlossen wir uns den fünf Personen vorzuschlagen, dass wir uns erst mal einzeln, bzw. zu dritt treffen wollen würden. Dieser Vorschlag stieß erst mal nicht auf Ablehnung und es gab auch keinen anderen Vorschlag von Le Sabot. Mit drei von den Personen haben wir uns letztlich getroffen, um noch einmal mit mehr Ruhe und Zeit zu sprechen und noch mal direkter auf die Haltungen, Bilder und Befürchtungen eingehen zu können. Diesen Prozess des sich einzeln Verabredens haben wir teilweise als sehr mühselig empfunden, wir empfanden es so, dass er z.T. immer wieder verschleppt wurde und z.T. auch nicht zu Stande kam. Dies lag in einem Fall daran, dass sich die Suche nach einem gemeinsamen Termin auch bei einer Einzelperson der asp III als schwierig erwies, so dass kein Einzelgespräch zustande kam. Insgesamt waren wir an diesem Punkt eher enttäuscht, dass es da so wenig Interesse gab, weiter zu reden, sich weiter auseinander zu setzen. Ein zweites Treffen mit der gesamten Gruppe wurde schon in den Einzeltreffen abgelehnt, da Einzelne klar machten, ihr Dissens zu den Positionen der asp III bliebe auch bei weiteren Gesprächen bestehen.
Wir haben an diesem Punkt auch bei vielen (nicht bei allen) das politische Interesse und den Willen vermisst, etwas mehr zu Definitionsmacht, Parteilichkeit und Schutzraum verstehen zu wollen und auch eine aktive ernsthafte Verantwortungsübernahme für die Geschehnisse. Wir als Kleingruppe asp III haben die Hoffnung an einem Miteinander, an einem Umgang und an einem Politikmachen mitzuwirken, dass nicht von Diskriminierung, Machtstrukturen und Gewalt geprägt oder durchzogen ist. Das ist auch unser Wunsch für politische oder soziale Bewegungen, linke Zusammenhänge und selbstorganisierte Strukturen. Deswegen finden wir es wichtig, aktiv an Strukturen von Diskriminierung und Gewalt und an Machtstrukturen zu arbeiten und sie zu verändern. Es ist unser Wunsch oder Anspruch, dass andere das auch tun und an diskriminierungsfreieren und machtfreieren Strukturen aktiv mitwirken.

Zum anderen hatten wir, wie bereits kurz erwähnt, mehrere Einzeltreffen mit Personen, die aus der Gruppe Le Sabot ausgestiegen sind. Es gibt einige Personen, die nach dem Vorgefallenen auf dem Camp und den Auseinandersetzungen, bzw. Nicht-Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe aus dem Kochkollektiv Le Sabot ausgestiegen sind, nachdem sie z.T. über einen längeren Zeitraum in der Gruppe versucht haben eine Auseinandersetzung zu führen. Die Gruppe Le Sabot hat sich auch auseinandergesetzt und das Vorgefallene auf zwei Gruppentreffen thematisiert und in verschiedenen Einzeltreffen. Erschwerend war hier auch, dass die Gruppe über verschiedene Städte in der BRD und den Niederlanden verteilt lebt und häufigere Treffen deswegen nicht möglich waren und eine Auseinandersetzung per Mailingliste z.T. auch missverständlich und erschwerend war. Weiter die Kommunikation auf deutsch und niederländisch geführt wurde und das Definitionsmachtkonzept in den Niederlanden anscheinend nicht so bekannt ist. Dazu muss auch gesagt werden, dass Le Sabot immer in verschiedenen Konstellationen kocht und es in der Regel nur ein längeres Treffen im Jahr gibt, zu dem sich ein Großteil der Gruppe sieht und gemeinsam besprechen kann. Weiter ist Le Sabot eine Gruppe, bei der als inhaltliche Themen das Kochen bzw. die Organisation dessen sehr im Vordergrund stehen und es zu anderen politischen Inhalten wenig Diskussionserfahrung und Konsensfindung gibt. Einfach weil der Gruppenfokus woanders liegt. Trotzdem haben einige der Personen, die Le Sabot verlassen haben, immer wieder versucht und es auch als mühselig erlebt, dass Thema, auch gegen Widerstände, auf die Tagesordnung zu bringen und einer „es ist genug“-Stimmung immer wieder entgegen zu treten. In dem zweiten Papier, dass Le Sabot später auf ihrer Website veröffentlichte, machen sie auch deutlich, dass sich der größte Teil der Gruppe einen Abschluss des Themas wünscht. Ebenso schreibt die Gruppe bewusst nicht, dass sie die Definition der Betroffenen anerkennen und in der Zukunft Schutzraumforderungen umsetzen würden.

Einzelne Personen von Le Sabot teilten uns mit, dass wir mit unseren Haltungen anscheinend nicht so nah zusammen kommen, dass eine Zusammenarbeit wieder möglich wäre. Wir sehen es auch so, dass wir die Gruppe Le Sabot bei dem derzeitigen Stand ihrer Haltungen nicht wieder anfragen werden. Allerdings hätten wir uns gerne weiter mit Le Sabot auseinandergesetzt und sind nicht davon ausgegangen, dass sich bezüglich der Nähe unserer Haltungen nicht noch etwas verändern könnte und wir wieder zusammenarbeiten könnten. Wir hätten die Gruppe Le Sabot in Zukunft gerne wieder für die Antisexistische Praxen Konferenz angefragt, hätte es eine (veröffentlichte) Veränderung der Haltungen gegeben.
4) Zum Umgang mit der Person, die geschlagen hat:

Die Person, die geschlagen hat, hat in der Gruppe Le Sabot eine zentrale Position und ist eine von zwei Personen, die die Struktur maßgeblich getragen haben. Dies machte es in der Gruppe Le Sabot zusätzlich schwerer ihm zu sagen, er solle das Camp doch besser verlassen. Wäre es um eine andere Person in der Gruppe gegangen, hätte das evtl. noch mal anders ausgesehen. Unserem Eindruck nach, den wir in dem Gruppengespräch und z.T. in den Einzelgesprächen gewonnen haben, wird die gewaltausübende Person zum einen immer wieder geschützt und sein Verhalten wird entschuldigt und zum anderen scheuen Personen ihn zu kritisieren oder zu konfrontieren u.a. auf Grund von aufbrausendem Abwehrverhalten und/oder um einen Freund und Genossen nicht zu verletzen.
Es erschien als wäre es schwierig innerhalb der Gruppe eine kritische Position einzunehmen, die sich kritisch solidarisch mit der gewaltausübenden Person auseinandersetzt. Einzelne Personen haben diese Auseinandersetzung zwar punktuell oder kontinuierlich gesucht, doch erschien diese Auseinandersetzung nicht als selbstverständlich und akzeptiert, sondern stellte sich unserem Eindruck nach als ein Kraftaufwand und ein Risiko dar. Das Risiko mit aufbrausendem Abwehrverhalten konfrontiert zu sein und den Gruppenfrieden zu stören.
Abwehrargumente der gewaltausübenden Person, die uns begegnet sind waren z.B.: Die beiden Frauen haben angefangen und ich wollte mich nur schützen. Ich habe nicht geschlagen. Wenn man einmal als Täter gebrandmarkt ist, kann man ja eh nichts mehr machen und die ganze Szene verfolgt einen. Dazu nahmen wir eine Ausstrahlung wahr, die für uns eine Haltung suggerierte wie: Mir geht es ganz schlecht und ich brauche eure Loyalität als meine Freunde, und: Eigentlich bin ich das Opfer, was soll ich denn noch tun, ich habe mich doch entschuldigt. Das sind beides keine Aussagen der Person, sondern Eindrücke seiner Ausstrahlung, die wir wahrnahmen. Dazu kam viel Wut und Gesprächsverweigerung.
Die gewaltausübende Person stellte in dem Gruppengespräch dar, dass sich öfters Personen mit ihm treffen wollten und er diesen Gesprächsanfragen immer nachgegangen ist. Weiter, dass er sich bei der Betroffenen schriftlich entschuldigt hat. Er stellte sein Bemühen dar und auch, dass sich eine derartige Situation wie auf dem Antira/Klimacamp seiner Wahrnehmung nach nicht noch einmal ereignen würde. Diese Darstellungen und Handlungen reichten uns jedoch nicht aus, da Definitionsmacht- und Schutzraumkonzepte weiter nicht anerkannt wurden und die Haltung weiter abwehrend blieb.
Viele in der Gruppe fühlten sich aus Freundschaft oder Sympathie solidarisch mit der gewaltausübenden Person. Seine Person und seine Konsequenzen haben in der Gruppe mehr (einseitig solidarische) Aufmerksamkeit erfahren als die Betroffene, die Konsequenzen für sie und ihre Bedürfnisse. Die politische Konsequenz ist, dass die gewaltausübende Person geschützt wurde.
Uns erschien es so, dass innerhalb der Gruppe zu wenig bedacht wurde, dass Freunde und Genossen emotional zu involviert sein können, um der gewaltausübenden Person ein gutes Gegenüber zu sein für eine kritische und solidarische Auseinandersetzung. Es braucht unserer Meinung nach immer auch von außen solidarische Angebote zur kritischen Auseinandersetzung. Diese gab es auch, doch sie wurden von der gewaltausübenden Person in Bezug auf einen kontinuierlichen Prozess nicht wahrgenommen.
Insgesamt schienen die Abwehrstrategien aufzugehen.

Wir wollen noch anfügen, dass wir das leider gar nicht so verwunderlich finden. Eine fehlende (Vorfall unabhängige) Auseinandersetzung mit Sexismus und Definitionsmacht in Gruppen und in der Bewegung und fehlende Angebote und positive Beispiele zum Umgang mit Grenzverletzungen und Gewalt erschweren die Auseinandersetzung bei konkreten Vorfällen.

Weiter wollen wir noch anmerken, dass es leider starke vorgefertigte Bilder und Mythen über gewaltausübende Personen gibt. Deswegen ist es wichtig im eigenen Denken, die Bilder nicht zu aktivieren, bzw. ihnen bewusst entgegen zu arbeiten. Jede Person, die Gewalt ausgeübt hat ist anders und verhält sich unterschiedlich und jeder Kontext ist anders. Ebenso ist es wichtig, die Person als Menschen von der Handlung als Tat und dem Verhalten zu trennen und gewaltausübende Personen nicht als Gewalttäter_innen zu stigmatisieren.

 

5) Abschließende Betrachtung der Auseinandersetzung mit Le Sabot:

Das (Gruppen-)Gespräch mit Le Sabot haben wir sehr positiv bewertet. Wir fanden, dass es insgesamt viel Offenheit gab und auch den Wunsch und Willen, sich was miteinander anzugucken. Allerdings war das Gespräch für uns eher ein erster Schritt der Verständigung. Wir waren dann doch sehr enttäuscht, dass es bis auf eine Person, die auch in der Gruppe Le Sabot eine eher Betroffenen-parteiliche-Haltung eingenommen hat, keine weitere Initiative der Gruppe Le Sabot gab, sich weiter mit uns zu treffen und auseinander zu setzen.
Wir hatten auch immer wieder den Vorschlag unterbreitet, dass wir auch Personen vermitteln können, die Workshops zum Thema: Definitionsmacht, Parteilichkeit, Schutzraum anbieten und es begrüßen würden, wenn die Gruppe sich weiter inhaltlich auseinandersetzt.
Uns erschien es letztlich so, dass die Positionen und Haltungen relativ gefestigt sind und es kein Interesse oder keinen Bedarf von der Seite von Le Sabot gab, hier weiter zu arbeiten. Das bedauern wir sehr.
Weiter haben wir bei Einzelnen von Le Sabot ein sehr starkes Engagement wahrgenommen, sich dafür einzusetzen, die Auseinandersetzung in Le Sabot weiter zu führen und auch ein zweites Papier zu schreiben, dass aussagekräftiger ist, als das recht allgemeine Papier, das letztendlich verabschiedet wurde.
Ebenso haben wir bei vielen von Le Sabot ein Interesse wahrgenommen, etwas verstehen zu wollen oder auch dazu lernen zu wollen, so haben z.B. drei Personen an einem Workshop teilgenommen, der sich allgemein mit Unterstützungsarbeit auf Camps befasst hat. (Der Wochenendworkshop, der nach der Campauswertung angeboten wurde.)
Abschließend ist es schwierig für uns, den Prozess zu bewerten. Vielleicht müssen wir das auch gar nicht, denn es gab emanzipatorische und positive Schritte und es gab Abwehrverhalten und Verharren. Also es hat sich etwas bewegt und ist dann irgendwo von Person zu Person an sehr unterschiedlichen Stellen stehen geblieben. Abschließend ist noch zu sagen, dass die Gruppe Le Sabot als Gruppe weder Definitionsmacht noch Schutzraumkonzepte begrüßt und sich auch in ihrem zweiten Papier nicht dazu entschließen konnte, dazu etwas zu schreiben. Die Positionen bezüglich Definitionsmacht und Schutzraum gehen in der Gruppe Le Sabot weit auseinander.

6) Die Position der Kleingruppe der Vorbereitungsgruppe asp III:

Abschließend wollen wir auch noch einmal Punkte zusammentragen, die für uns eine Rolle gespielt haben und die wir gegenüber Le Sabot formuliert haben. Auch wenn wir den Auseinandersetzungsprozess für uns vorläufig abgeschlossen haben, wollen wir sie hier noch einmal nennen. Die Punkte haben wir während des Auseinandersetzungsprozesses formuliert, so dass einige von ihnen mittlerweile bereits von Le Sabot umgesetzt sind und damit nicht mehr aktuell sind.

– Wir wünschen uns weiterhin eine selbstkritische interne Auseinandersetzung in der Gruppe Le Sabot über die Geschehnisse auf dem Hamburg-Camp und ihre Positionierung diesbezüglich.
– Wir wünschen uns von der Gruppe Le Sabot eine inhaltliche Beschäftigung mit Definitionsmacht, Parteilichkeit und Schutzraum.

Unsere Kritikpunkte beziehen sich vor allem auf die folgenden Punkte:
– Euer praktisch-parteiliches Verhalten gegenüber der gewaltausübenden Person, d.h. eine Kritik an seiner Handlung war nicht erkennbar.
– Keine Gewährung von Schutzraum für die Betroffene, wobei wir die von euch genannten Gründe als Abwehrstrategien und als Vermeidung einer weiteren Auseinandersetzung ansehen (eure Gründe waren: das Ausbleiben einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Gewalt und Sexismus, Stigmatisierung der gewaltausübenden Person und der Küche sowie des Abbruchs der Versorgung des Camps im Fall der Einrichtung eines Schutzraumes).
– Die Nutzung eurer strukturellen Machtposition als Teil der das Camp tragenden Infrastruktur. Zum einen entsprachen die von euch vorgeschlagenen Szenarien eines Schutzraumes in eurer ersten schriftlichen Erklärung nicht den Bedürfnissen der betroffenen Person, da sie immer noch ein Teil des Camps waren und zum anderen ihr euch als strukturell eingebundene Gruppe geschlossen hinter die gewaltausübende Person gestellt habt, anstatt einen Rahmen herzustellen, der das Schutzraumbedürfnis gewährleistet und im Anschluss daran die Möglichkeit für eine weitergehende Auseinandersetzung geboten hätte – ohne eine grundlegende Stigmatisierung weder der gewaltausübenden Person noch euch als Gruppe.

Bezogen auf eure Stellungnahme haben wir die Kritik, dass eine selbstkritische Auseinandersetzung mit Gewalt und Sexismus auch ohne die gewaltausübende Person möglich ist und in vielen Fällen auch erst die Voraussetzung dafür bietet, dass ein Klärungsprozess beginnen kann; d.h. ein temporärer Ausschluss ist kein Ende für eine Auseinandersetzung, sondern vielmehr oft der Beginn. Es gilt zuerst die Sicherheit nach einer Grenzverletzung wieder herzustellen, um dann parteilich mit der betroffenen Person zu schauen, in welcher Form ein Prozess möglich und erwünscht ist, welche Unterstützung alle involvierten Personen benötigen etc.

Wir wünschen, dass ihr als Gruppe eine aktive Verantwortung für die Gestaltung des Prozesses übernehmt.

Im Besonderen bedeutet dies für uns:
– Dass ihr eure Rolle als Gruppe vor dem Hintergrund der Ereignisse in Hamburg annehmt und eine politische Auseinandersetzung darüber führt.
– Dass ihr auf Anfrage die nötige Transparenz über eure eingenommene Positionierung sowie eure Auseinandersetzungsprozesse in der Gruppe herstellt.
– Dass ihr im Prozess selbst initiativ bleibt und nicht nur passiv auf Anstöße von außen reagiert.
– Dass ihr auch kritisch-konfrontative Auseinandersetzungen führt mit der Person, die geschlagen hat.
– Wir wünschen, dass ihr in Zukunft uneingeschränkt Schutzraumforderungen nachkommt.
Ein paar Schlagworte sollen dies verdeutlichen:
– Den Wunsch nach Schutzraum von Betroffenen umzusetzen – und zwar ohne Debatte/ Verhandlungen / Abwiegelungen / Kompromisse.
– Die Betroffene nicht unter Druck setzen.
– Die Gruppe verhält sich aktiv solidarisch gegenüber der betroffenen Person(en), d.h. die Gruppe erkennt ihre Definitionsmacht und Forderungen nach Schutzraum ohne Diskussion an und setzt sie in die Tat um; im Nachhinein kann im Kontakt mit der ggf. bestehenden Unterstützer_innengruppe der Betroffenen geklärt werden, wie ein weiterer Prozess aussehen könnte.
– Zweifel und Nicht-Wissen bezüglich Definitionsmacht, Parteilichkeit und Schutzraum gehören nicht in das evtl. stattfindende Gespräch mit der Betroffenen oder der Unterstützer_innengruppe. Für Zweifel und Wissensfragen sollte an anderer Stelle Raum geschaffen werden, z.B. in Workshops, wo es um eine grundsätzliche Thematisierung geht.
– Die Gruppe verlässt nicht geschlossen mit der gewaltausübenden Person das Camp, da zunächst die gewaltausübende Person für das eigene Verhalten verantwortlich ist. Ein geschlossenes Verlassen des Camps kann nicht anders als eine aktiv-parteiliche Handlung mit der gewaltausübenden Person angesehen werden.
– Dem Schutzraumwunsch der Betroffenen entsprechen, d.h. Einzelne der Gruppe können erst mal gehen und das Camp verlassen – Auseinandersetzungen (politische wie konkrete) können auch hinterher noch geführt werden.

Wir wünschen uns eine selbstkritische öffentliche Stellungnahme von der Gruppe bezüglich der genannten Kritikpunkte!
Ergänzend doch ein paar Einschätzungen und Haltungen:

Obwohl unser Papier hauptsächlich um die Auseinandersetzung mit Le Sabot geht und es uns als Antisexistische Praxen Konferenz Vorbereitungsgruppe hauptsächlich um eine Klärung mit Le Sabot ging, wollen wir doch auch noch ein paar Worte zum Camp und auch der Rolle der Bewegung verlieren. Eher als Ergänzung und um den Umgang mit dem Vorgefallenen weiter einzubetten.

1) Zu der Rolle des Camps:
Das Antira- und Klimacamp wurde organisiert in dem Wissen, dass es keine Ansprechstruktur bei Gewalt und Diskriminierung gibt. Im Vorfeld hat die Camporga sich um Personen bemüht, die eine Ansprechstruktur organisieren, aber keine Personen gefunden, die sich das vorstellen konnten. Es gab auch Personen von der ehemaligen Ansprechgruppe Kölner Grenzcamp und Aktionstage Fürth 2003 und von der antisexist contact and awareness group zum G8-Protestcamp 2007, die angeboten haben ihr Wissen über Ansprechgruppen und Awareness weiter zu geben. Dieses Angebot blieb jedoch ungenutzt. Es gab also das Wissen um die Problematik und die Leerstelle und es gab den Wunsch nach einer Ansprechstruktur.

Als „Notlösung“ wurde gesagt, dass einige Personen am Infotisch des Camps sich eine „Notansprechbarkeit“ vorstellen können. In der besagten Situation auf dem Camp, hat sich die Betroffene und eine weitere Frau auch zuerst an den Infotisch gewandt, bevor sie den Filmvorführer angesprochen haben. Unglücklicherweise war der Infotisch zu dem Zeitpunkt anderweitig beschäftigt und stand nicht für eine Ansprechbarkeit zur Verfügung.

Hätte es eine Ansprechstruktur gegeben, hätten beide Frauen wahrscheinlich zu einem viel früheren Zeitpunkt Unterstützung erfahren und die Gesamtsituation wäre wahrscheinlich mit weniger Verletzungen abgelaufen.

Was tun, wenn es keine Personen gibt, die eine Ansprechstruktur organisieren? Es gibt verschiedene Ideen, was dann getan werden könnte. Eine ist, ein Camp nicht ohne Ansprechstruktur stattfinden zu lassen. Oder es kann zum Campbeginn ein Plenum mit Kleingruppenphase geben, in der alle überlegen, was es für eine Ansprechstruktur geben sollte, was es dafür braucht, wie konkrete Unterstützung und Ansprechbarkeit aussehen könnte und was jede Einzelne sich vorstellen kann, davon zu übernehmen. Aus dem Plenum heraus könnte so eine Ansprechstruktur organisiert werden.

An dem Campauswertungswochenende wurde noch einmal bestätigt, dass es gut gewesen wäre, eine Ansprechstruktur zu haben. Weiter wurde noch einmal benannt, wie sexistisch und homophob die Äußerungen aus dem Publikum der Filmvorführung waren, wie erschreckend das war und wie unfähig zu intervenieren viele der Zuschauer_innen waren. Dass eben nicht ausreichend eingegriffen wurde, als es zu den sexistischen und homophoben Äußerungen aus dem Publikum kam. Hierzu gab es auch in den folgenden Tagen auf dem Camp keine ausreichende Auseinandersetzung mit Sexismus und Homophobie.

Auf dem Campauswertungswochenende wurde es vermieden, über den Vorfall konkret zu sprechen. Einige von Le Sabot und die Person, die geschlagen hatte, waren anwesend. Die Betroffene und ihre Unterstützerinnen waren nicht anwesend.

Die Meinung der Kleingruppe von asp III dazu ist: Es ist nicht unproblematisch, Vorfälle konkret zu besprechen und zu verhandeln. Wenn das Vorgefallene auf dem Campauswertungswochenende konkret besprochen worden wäre, hätten verschiedene problematische Situationen entstehen können, die sich z.T. schon angedeutet haben. So z.B.:
– Es entsteht ein Druck, dass die Betroffene oder die Unterstützerinnen sich äußern sollen.
– Es entsteht ein Anklagen, dass die Betroffene oder die Unterstützerinnen jetzt nicht da sind, um sich zu äußern.
– Alle äußern ihre Meinung zu dem Vorgefallen und es wird nicht dafür gesorgt, dass ein möglichst sicherer, parteilicher und verletzungsminimierender Raum entsteht, in dem Verletzungen auch hinterher aufgefangen werden können.
– Alle äußern ihre Meinung zu dem Vorgefallenen und es entsteht der Eindruck, als ob das Vorgefallene öffentlich verhandelbar sei. Ebenso entsteht der Eindruck, als ob ein neutrales Sprechen möglich wäre.
– In dem öffentlichen Sprechen werden Sexismus und Homophobie reproduziert und ein sexistischer und homophober Normalzustand gefestigt, ohne dass dem ein parteiliches und queer-feministisches Handeln entgegengesetzt wird.
Wir haben es deswegen eher begrüßt, dass das Vorgefallene nicht auf dem Campauswertungstreffen konkret besprochen wurde. Stattdessen würden wir eine allgemeine Auseinandersetzung mit Sexismus, Homophobie, Awareness, Parteilichkeit, Definitionsmacht und Schutzraum begrüßen.
Auf dem Campauswertungstreffen gab es das Angebot, ein Wochenende zu Definitionsmacht/ Unterstützung/Schutzraum zu machen. Das Wochenende fand als Workshop u.a. mit Rollenspielen statt. Drei Personen von Le Sabot haben daran teilgenommen.

2) Zu der Rolle der Bewegung:
Wir bedauern es sehr, dass eine allgemeine Auseinandersetzung mit Sexismus, Homophobie, Transphobie, Awareness, Parteilichkeit, Definitionsmacht und Schutzraum in der Bewegung immer noch zu kurz kommt und oft nicht ernst genommen wird. Dies begünstigt die Situation eines sexistischen, homophoben und transphoben Normalzustandes, in dem es immer wieder zu „stillen Ausschlüssen“ von Betroffenen und diskriminierten Personen kommt, also Ausschlüsse, die kaum als solche wahrgenommen werden, da die Personen herausfallen oder einfach wegbleiben und demnach verdrängt werden.
Weiter sind Ansprechstrukturen wichtig, weil eben Gewalt und Diskriminierung auch innerhalb der Bewegung stattfindet. Leider intervenieren nicht alle Personen bei stattfindender Gewalt und Diskriminierung, verhalten sich dazu parteilich und bieten den betroffenen Personen Unterstützung an. Ansprech- und Awarenessstrukturen sind ein Übergangshilfsmittel, das solange notwendig ist, bis sich ein parteiliches, intervenierendes Handeln aller weiterverbreitet hat.
Obwohl vielfach das Bewusstsein da ist, dass Ansprechstrukturen wichtig sind, fallen sie dann in der konkreten Vorbereitung zu oft hinten runter. Z.B. weil sich dann doch nicht die nötige Zeit genommen wird und die Prioritäten anders gesetzt werden. Wir halten es für notwendig, sich die Zeit zu nehmen und die Prioritäten zu verschieben. Denn wir wollen sowohl eine diskriminierungs- und herrschaftsfreie Bewegung, in der wir politisch aktiv sind, als auch gegen Diskriminierung und Herrschaft eintreten!

Für einen solidarischen und emanzipatorischen Umgang miteinander,
viele Grüße!
Die Kleingruppe der Antisexistischen Praxen Konferenz III – Vorbereitungsgruppe